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Anna Gmeyner: „Ende einer Verhandlung“ Zum ersten Mal wird eine Spielzeit im Großen Haus mit dem Text einer Autorin eröffnet

Anna Gmeyner hätte Anfang der Dreißigerjahre das Zeug zu  einer großen Dramatikerin gehabt, doch als linke, jüdische Autorin wurden ihre Werke in Nazi-Deutschland verboten. Sie ging ins Exil, zunächst nach Paris, dann nach England und starb 1991 in York. Ihr Werk, zu dem neben Theaterstücken auch Romane, Drehbücher, Gedichte und Übersetzungen zählen, ist weitestgehend vergessen. Jetzt wird die Autorin vermehrt wiederentdeckt.

Eine Inszenierung von „Automatenbüffett“ vom Wiener Burgtheater wurde 2021 zum Berliner Theatertreffen eingeladen, ein weiteres vergessenes Stück „Welt überfüllt“ 2022 am Theater Oberhausen uraufgeführt. Zur Premiere nach Oberhausen brachte eine Enkeltochter eine Tasche mit bisher völlig unbekannten Manuskripten der Exilautorin, darunter das Stück „Ende einer Verhandlung“. Dieses Fundstück ist eine kleine Sensation. Anna Gmeyner hat ein Gerichtsdrama geschrieben, das sich wie die frühe Vorwegnahme des Kinoklassikers „Die zwölf Geschworenen“ liest. Darin entwirft sie eine modellhafte Situation mit archaisch biblischen Zügen und gleichzeitig eine Ursituation von Demokratie. Zwölf Menschen, drei Frauen und neun Männer, mit ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Herkünften, zufällig zusammengestellt, sollen über Leben und Tod in einem Mordfall entscheiden, einstimmig. Verhandelt wird eine brutale Beziehungstat, bei der ein Mann aus Eifersucht seine Frau mit dem zynischen Ausruf „Ladies first“ von einer Klippe gestoßen haben soll. Auf dem Höhepunkt der Verhandlung erleidet einer der Geschworenen im Gerichtssaal einen Schwächeanfall. Eben dieser Geschworene wird später eine ganz eigene Version des Falls erzählen. Die Frage, was wirklich vorgefallen ist, wird dabei immer ungewisser. Es ist ein weiblicher und auch ein religionsphilosophischer Blick, den die Autorin Anna Gmeyner in dieses raffinierte Drama miteinschreibt. Ist Wahrheit vielleicht nur die beste Version der Geschichte? Wie entsteht Gewalt und warum sind bis heute fast immer Frauen Opfer von Beziehungstaten?

Frank Behnke, Schauspieldirektor

Premiere: FR, 27.09.24, 19.30 Uhr – Großes Haus

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