Staatstheater Meiningen
Menü Tickets

Erstmals in Meiningen: „Castor et Pollux“ von Kunst-Stars: Moulds, Altaras, Cragg

Anlieferung der Tony Cragg-Skulpturen, Foto: Christina Iberl© Christina Iberl
Anlieferung der Tony Cragg-Skulpturen, Foto: Christina Iberl

Rameaus Oper über den göttlichen Pollux und seinen Bruder Castor ist ein Meisterwerk französischer Barockmusik

Jean-Philippe Rameau, der bedeutendste französische Komponist des 18. Jahrhunderts, schrieb erst mit 50 Jahren seine erste Oper. Zuvor arbeitete er als Organist, Komponist von Kantaten, Motetten und Opéra-ballets und beschäftigte sich mit musiktheoretischen und ästhetischen Fragen, zum Beispiel über die mathematischen Grundlagen der Harmonik. Mit seiner dritten Oper „Castor et Pollux“, die jetzt zum ersten Mal am Staatstheater Meiningen zu erleben ist, löste Rameau schon bei der Uraufführung 1735 eine Welle der Begeisterung aus.

Sein neuartiger Stil, der sich durch einen fließenden Wechsel von Rezitativ und Arie, kunstvoll-differenzierte Klangfarben und reiche Harmonik auszeichnet, wurde teilweise euphorisch bejubelt, teilweise kritisiert, weil Neuerungen gegenüber dem Musikstil des bereits 1687 verstorbenen „musikalischen Übervaters Frankreichs“, Jean-Baptiste Lully, viele damals als Tabu betrachteten. Auf jeden Fall hat Rameau mit „Castor et Pollux“ die Tradition der Tragédie lyrique zu einem neuen Höhepunkt geführt.
Rameaus Librettist Pierre-Joseph Bernard, ein Günstling der Madame Pompadour und Freund des Philosophen Voltaire, griff auf die mythologische Geschichte der Zwillingsbrüder Castor und Pollux zurück, von denen Castor sterblich, der von Jupiter gezeugte Pollux jedoch unsterblich ist. Bernard ging dabei frei mit dem Stoff um und wertete die weiblichen Rollen Télaïre und Phébé auf. Beide Brüder lieben Télaïre, was den Konflikt enorm verschärft.
Die Handlung spielt in Sparta, die von Castor und Pollux gemeinsam regiert wird und sich im Krieg mit seinen Nachbarn befindet. Castor wird im Kampf vom Feind getötet, woraufhin Pollux auf Drängen Télaïres seinen Vater Jupiter bittet, den Bruder wieder ins Leben zurückzuführen. Doch um Castor wieder mit Télaïre zu vereinen, müsste Pollux Castors Platz in der Unterwelt einnehmen und die eigene Unsterblichkeit aufgeben. Pollux’ innerer Kampf zwischen seiner Loyalität zu Castor und seinem Verlangen nach Télaïre zerreißt ihn. Doch am Ende ermöglicht Göttervater Jupiter den beiden Brüdern, die Unsterblichkeit zu teilen. Gemeinsam mit Télaïre erhalten sie einen Platz als Sternbild am Firmament.

Die Ausweitung des Mythos durch den verstärkten Gewissenskonflikt von Pollux und den Schmerz der unerfüllt-liebenden Phébé schafft Raum für tragische Affekte. Die Verknüpfung von Öffentlichem und Privatem ist in dieser Oper zentral. Nicht nur Télaïre, sondern auch das Volk der Spartaner fordern Pollux auf, den toten Bruder aus der Unterwelt zurückzuholen.
Der politischen Dimension des Werkes trägt Rameau in großflächigen Tableaus mit farbigen Klang- und Bühneneffekten Rechnung. Kampf- und Unterweltsszenen, Visionen von Göttern und Sternen, Liebesklagen oder die für den französischen Komponisten typischen Illustrationen von Naturereignissen sind abwechslungsreich und aufwendig instrumentiert. Zu diesem Zweck verzichtet er auf in sich geschlossene Nummern und ersetzt sie durch eine am Inhaltlichen orientierte Flexibilität der Satztechnik, die es in dieser Form in der Musikgeschichte vorher nicht gab. Vollkommen neuartig ist auch die Verflechtung von Chor- und Solopartien. Weil der Chor in vielen Momenten die Szenen nicht nur kommentiert, sondern in tragender Rolle in die Handlung eingreift, hebt Rameau weitgehend die Trennung in musikalische Formen wie Rezitativ, Arie, Chor- und Tanz-Suiten auf. Auch Secco-Rezitative verschwinden in Rameaus Partitur nahezu komplett zugunsten dramatisch belebter Accompagnati-Rezitative, die bereits auf Christoph Willibald Gluck vorverweisen.

Nachdem im 19. Jahrhundert „Castor et Pollux“ wie viele Barockopern in Vergessenheit geriet, erlebt die Oper seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine nachhaltige Renaissance. Bis heute wird dieses Meisterwerk französischer Barockmusik immer wieder auf der ganzen Welt aufgeführt. Die Fassung der Meininger Neuinszenierung hat Intendant Jens Neundorff zu Enzberg für eine Produktion der Oper Bonn vor 22 Jahren entwickelt.

Drei Kunststars der Gegenwart vereint

Die Meininger Erstaufführung von „Castor et Pollux“ wird von drei Kunststars der Gegenwart maßgeblich geleitet: Der Brite Christopher Moulds, dessen Interpretationen des barocken Repertoires internationale Maßstäbe gesetzt haben, wird dirigieren. Die Inszenierung liegt in den Händen der in Zagreb geborenen Regisseurin, Schauspielerin und Bestseller-Autorin („Die jüdische Souffleuse“) Adriana Altaras. Schließlich entwirft die Bühne der Star-Bildhauer Tony Cragg, dessen Skulpturen seit mehr als 45 Jahren in vielen Städten rund um den Erdball ausgestellt werden. Seine Skulpturen zeichnen sich durch eine wellige, figurative Struktur und eine mitten in der Bewegung innehaltende Dynamik aus. 1982 und 1987 nahm er an der Documenta sowie 1986 und 1993 an der Biennale in Venedig teil.


Dr. Matthias Heilmann, Musiktheaterdramaturg


„Castor et Pollux“
Oper von Jean-Philippe Rameau
nach einem Libretto von Pierre-Joseph Bernard, Fassung von Jens Neundorff von Enzberg
In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Musikalische Leitung: Christopher Moulds • Regie: Adriana Altaras • Bühne: Sir Tony Cragg • Co-Bühnenbildnerin: Verena Hemmerlein • Kostüme: Nina Lepilina • Chor: Roman David Rothenaicher •  Dramaturgie: Matthias Heilmann • mit: Emma McNairy, Monika Reinhard, Sara-Maria Saalmann; Mark Hightower, Aleksej Kursanov, Selcuk Hakan Tiraşoğlu, Tomasz Wija • Chor des Staatstheaters Meiningen• Es spielt die Meininger Hofkapelle

Premiere: FR, 21.02.2025, 19.30 Uhr – Großes Haus
weitere Termine: 28.02., 02.03., 08.03., 16.04., 04.05., 03.07.2025
Einführungen je 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn
Matinee: SO, 16.02.2025, 11.15 Uhr – Foyer Großes Haus, Eintritt frei

Tickets