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The Wreckers - Der Leuchtturm des Todes

Bühnenbildmodell von Alexandre Corazzola© Christina Iberl
Bühnenbildmodell von Alexandre Corazzola

Die Wiederentdeckung der Saison: Jochen Biganzoli inszeniert Ethel Smyths „The Wreckers


Die Britin Ethel Smyth (1858–1944) war nicht nur eine militante Feministin, die für Frauenrechte ins Gefängnis ging und die Hymne „March of the Women“ verfasste, sie war vor allem eine der größten und heute völlig zu Unrecht beinahe vergessenen Komponistinnen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Mit „The Wreckers“ (UA: London, 1909) oder im Original „Les Nauffrageurs“/„Das Strandrecht“ (UA: Leipzig, 1906) schuf sie ein Drama über eine sich radikalisierende Dorfgemeinschaft, die an der Küste Cornwalls Schiffe zum Kentern bringt, plündert und die Besatzung mordet. Dieses Werk war ursprünglich für die Pariser Oper geplant und auf Französisch verfasst. Das Glyndebourne Festival und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin brachten Smyths Komposition vor zwei Jahren erstmals in voller Länge auf die Bühne – in England szenisch, in Deutschland konzertant. In Meiningen ist diese Fassung nun auf Deutsch zu erleben. Regie führt Jochen Biganzoli, der hier bereits mit seiner „Toten Stadt“ Erfolg hatte.

Ethel Smyth tanzte schon als Kind aus der Reihe: Klavierspielen und Singen wurde  zwar von jungen Damen erwartet, aber der Wunsch, Komposition zu studieren, ging ihrem viktorianisch-konservativen Vater zu weit – und das im Ausland. Doch Smyth ging in den Hungerstreik, bis ihr Vater einlenkte. In Leipzig eröffnete sich ihr 1877 eine inspirierende Musiklandschaft um Clara Schumann, Johannes Brahms, Edward Grieg oder Pjotr Iljitsch Tschaikowski. Später wurde sie von Kaiserin Eugénie (ehemalige Frau Napoleons III.), Queen Victoria oder Reichskanzler Bernhard von Bülow protegiert. 1906 schuf sie zusammen mit ihrem Freund Henry Brewster eine Oper, die zunächst für Paris gedacht war: „Les Nauffrageurs“. Das Vorhaben scheiterte und die Uraufführung fand am 11. November in Leipzig unter dem Titel „Das Strandrecht“ statt. Es kam allerdings zu Unstimmigkeiten: Ohne mit Smyth zu sprechen, wurden starke Kürzungen vorgenommen, weshalb die empörte Britin die Orchesterstimmen und die Partitur entwendete, um weitere Darbietungen zu verhindern. Eine englische Fassung entstand 1908 und wurde im Folgejahr am Londoner Covent Garden gespielt.
Die Ouvertüre erinnert an Wagners „Fliegender Holländer“ und die Arie der Avis – ehemalige Freundin des Fischers Marc, der nun heimlich mit Thurza, der Frau des Dorfpfarrers Pasko, zusammen ist – an Bizets „Carmen“. Smyth wusste, was gut war und griff darauf zurück. Gleichzeitig entwickelt sie eine dichte und farbenreiche Klangsprache, die Benjamin Brittens 40 Jahre später geschaffenen „Peter Grimes“ vorwegzugreifen scheint.

Ethel Smyth tanzte schon als Kind aus der Reihe: Klavierspielen und Singen wurde zwar von jungen Damen erwartet, aber der Wunsch, Komposition zu studieren, ging ihrem viktorianisch-konservativen Vater zu weit – und das im Ausland.


Zur Handlung hat sich Smyth in den 1880er-Jahren inspirieren lassen, als sie in Cornwall eine Legende von religiösen Riffpiraten hörte, die dem Erweckungsprediger John Wesley nahestanden. Sie brachten Schiffe zum Kentern, töteten die Besatzung und lagerten in den Höhlen am Strand ihr Raubgut. Dort ermordeten sie auch zwei Liebende standrechtlich, die ein Warnfeuer entfachen wollten, um die vorbeifahrenden Seeleute vor dem sicheren Tod zu retten. Die Geschichte einer „abgeschlossenen“ Gemeinschaft, die in ihrer eigenen „Blase“ lebt und sich durch eigene Überzeugungen radikalisiert, wirkt heute erschreckend aktuell. Dies sieht auch Regisseur Jochen Biganzoli so. Zusammen mit Bühnen- und Kostümbildner Alexandre Corazzola ist es ihm jedoch wichtig, die heutige Zeit nicht nachzubilden, sondern, wie Ethel Smyth in ihren Memoiren schreibt, zu zeigen, dass „alle Beteiligten von ihrem ganz persönlichen Standpunkt aus das Richtige tun“.

Julia Terwald, Musiktheaterdramaturgin


„The Wreckers – Der Leuchtturm des Todes“
Oper in drei Akten von Ethel Smyth, Szenische Erstaufführung der Urfassung auf Deutsch

Musikalische Leitung: GMD Killian Farrell
Regie: Jochen Biganzoli • Bühne, Kostüme: Alexandre Corazzola • Dramaturgie: Julia Terwald
mit: Emma McNairy, Sara-Maria Saalmann, Tamta Tarielashvili; Alexander Geller, Tobias Glagau, Mark Hightower, Selcuk Hakan Tiraşoğlu, Tomasz Wija, Chor des Staatstheaters Meiningen, Statisterie. Es spielt die Meininger Hofkapelle
Premiere: Fr, 25.10.2024, 19.30 Uhr
Termine: 03.11., 13.10., 15.11., 20.11., 28.12.2024, 12.01., 23.02.2025 – Großes Haus
Einführungen: je 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn – Foyer Großes Haus
Matinee: So, 13.10.2024., 11.15 Uhr – Foyer, Großes Haus

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