von Tennessee Williams
Deutschsprachige Erstaufführung
Spielort dieses in Europa gänzlich unbekannten Jugendwerkes von Tennessee Williams aus dem Jahr 1937 ist die billige Absteige von Mr. Gwendlebaum am Rande von St. Louis zur Zeit der großen Wirtschaftskrise. Dort drängen sich die Tramps, die Verlierer und Schattenfiguren des „amerikanischen Traums“. Als plötzlich Terry, ein gesuchter Gangster, am Tresen vor Glory steht, beginnt ein hollywoodreifes Melodram. Glory und Leo, die Kinder von Gwendlebaum, träumen beide davon, auszubrechen und die enge Welt ihres Vaters, eines jüdischen Einwanderers, zu verlassen. Leo will Schriftsteller werden, er schreibt für ein linkes Blatt, kriegt Ärger, schmeißt sein Studium und flieht ins Zentrum der Großstadt. Glory, die sich im Umgang mit den Männern eine harte Schale zugelegt hat, verliebt sich in Terry und beide planen die Flucht. Doch in der Silvesternacht kommt es zum tragischen Showdown. Während die Stadt im Schnee versinkt, werden Glory und ihr Bruder Leo von der bitteren Realität eingeholt und ihnen bleibt nichts als die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Der 26-jährige Tennessee Williams zeigt sich in seinem zweiten abendfüllenden Stück „Auf der Flucht“ (Originaltitel: „The Fugitive Kind“) bereits als radikaler Entzauberer des American Dream. Das Stück verbindet geschickt Melodram und Krimi, Poesie und Sozialkritik und atmet schon die ganze großartige Atmosphäre seiner späteren Werke.
Mr. Gwendlebaum: Gunnar Blume
Leo Gwendlebaum: Jan Wenglarz
Glory: Carmen Kirschner
Terry Meighan: Stefan Willi Wang
Texas: Felix Kruttke
Carl: Yannick Fischer
Olsen: Vivian Frey
Chuck: Matthias Herold
O'Connor: Yannick Fischer
Abel White: Michael Jeske
Die Schauspieler bieten dem Zuschauer eine bemerkenswerte Bandbreite an Emotionen. Auf der einen Seite Verzweiflung und Bitterkeit, auf der anderen Zusammenhalt, menschliche Wärme und Liebe. Manchmal auch alles gleichzeitig. Regisseur Behnke beweist dabei ein gutes Gefühl für Timing und Pointen. Komische Momente verklingen mit dem Gefühl, dass es eigentlich zum Heulen ist.
MDR Kultur, Marlene Drexler, 14.02.2022
Wir brauchen noch viel mehr so atemloses, aufrührerisches, verstörendes Theater. Jeden Abend.
Meininger Tageblatt, Michael Plote, 14.02.2022
Was Carmen Kirschner als Glory, Stefan Willi Wang als Terry und Jan Wenglarz als Leo abliefern, fügt sich zu einem spannungsreichen Kammerspiel zusammen, einem Schicksalsballett menschlicher Figuren an einem Ort des Elends, mit choreografierter Anziehung und Abstoßung, dazwischen Einsamkeit, pointiert durch gezielt eingesetzte Sprechpausen. Enttäuschte Sehnsucht in einem Leben, in dem der Kampf um ein bisschen Würde und Anerkennung vergeblich ist, wird fühlbar. Traurige Wahrheit über traurige Lebensumstände.
Nachtkritik, Harald Raab, 12.02.2022