Uraufführung
Ballett mit Musik von Arvo Pärt (Fratres, 1977/1992) und Antonio Vivaldi (Le quattro stagioni, 1725)
Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ ist eine Musik voller Gegensätze – einmal beflügelnd leicht, dann wieder melancholisch schwer. Diese zeitlose Wirkung verband sich in den Proben mit den Pandemie-Erfahrungen des Lockdowns. So schwer der Stillstand der Gesellschaft war, bedeutet ein Lockdown auch Entschleunigung von der überhitzten Betriebsamkeit, die viele als Last empfinden. Es stellt sich die Frage: Werden wir weitermachen wie bisher? Choreograph Andris Plucis: „In mir entstand beim Hören der Musik das Bild eines endlosen Staus. Jeder ist umgeben von 1,5 Tonnen Stahl, die er bewegen muss. Die Schwere des Autos verkörpert dabei all die Verpflichtungen, die wir uns auferlegen. Max Weber beschrieb die Abhängigkeit von den äußeren Gütern schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts als ,stahlhartes Gehäuse‘, das ,eine unentrinnbare Macht über den Menschen‘ gewinnt. Die Musik Vivaldis und auch die meditative Musik von Arvo Pärts ,Fratres‘ lassen in mir aber auch ein Bild der Leichtigkeit entstehen: Ich stehe im Wald und erkenne die Schönheit. Wir könnten zufrieden sein! Musik wird wie von selbst zu Bewegung. Manchmal ist Ballett ganz einfach!“
Andris Pulcis’ Balletturaufführung wird mit „Fratres“, eines der meistgespielten Stücke des estnischen Komponisten Arvo Pärt, eröffnet. Die Komposition ist exemplarisch für Pärts minimalistischen, an mittelalterliche Kirchenmusik angelehnten „Tintinnabuli-Stil“, der durch das Zusammenklingen gebrochener Dreiklänge und sich schrittweise auf- oder abwärtsbewegender Stimmen geprägt ist. Das 1977 entstandene Werk ist ein Variationssatz über ein sechstaktiges Thema, das gerade durch den Gegensatz zwischen sphärisch, hypnotisierenden und agilen, gar hektischen Passagen seine Wirkung entfaltet. Pärt will so verdeutlichen, wie „der Augenblick und die Ewigkeit in uns ringen“.
Mittlerweile gibt es etliche Varianten von „Fratres“. In Meiningen erklingt die Version für Solovioline, Streicher und Schlagwerk von 1992. In dieser Fassung tritt die Solovioline virtuos aus der sakralen Einfachheit des minimalistischen Ensembleklangs hervor.
Choreografie und Bühne: Andris Plucis
Kostüme: Danielle Jost
Musikalische Leitung und Solo-Violine: Sönke Reger
Basso Continuo: Andrey Doynikov, Sebastian Keen