Stück von Bernd Lichtenberg
nach dem Film von Wolfgang Becker und Bernd Lichtenberg
Die Frage, welche geschichtlichen Auswirkungen der Fortbestand der DDR als eigenständiger Staat gehabt hätte, bildet den Ausgangspunkt für die Tragikomödie „Good Bye, Lenin!“. Als sie ihren Sohn Alex im Oktober 1989 bei einer Montagsdemo sieht, erleidet die überzeugte Sozialistin Christiane Kerner einen Herzinfarkt und fällt ins Koma. Acht Monate später erwacht sie – ohne zu ahnen, dass inzwischen der Mantel der Geschichte die DDR hinweggefegt hat.
Um sie in ihrem schwachen Gesundheitszustand vor jeder Aufregung zu schützen, rekonstruiert Alex in der Plattenbauwohnung seiner Mutter eine Ideal-DDR, gewissermaßen schöner, als sie früher nie war. Doch die Realität draußen vor der Tür lässt sich nicht aufhalten. Immer abenteuerlicher werden Alex’ Erklärungsversuche, bis sein aus Liebe zu seiner Mutter errichtetes Lügengebäude in der überraschenden Schlussvolte in sich zusammenfällt.
„Good Bye, Lenin!“, auf dem gleichnamigen Erfolgsfilm basierend, pendelt zwischen augenzwinkernder Ostalgie und glasklarer Analyse deutsch-deutscher Befindlichkeiten. Meiningen als Brückenkopf zwischen Ost und West ist wie geschaffen für eine Begegnung mit diesem berührenden, humorvollen Plot.
Hinweis: Bei dieser Produktion kommen Stroboskop-Effekte zum Einsatz. Bei bestimmten Blitzfrequenzen können unter Umständen epileptische Anfälle ausgelöst werden. Der Effekt findet auf der Szenenfläche statt und das Publikum befindet sich dabei nicht im ausgeleuchteten Bereich.
Regie: Thomas Dannemann
Bühne: Justus Saretz
Kostüme: Cornelia Kraske
Kostümassistenz: Ariana Moll
Musik: Matthias Flake
Video: Andreas Klein
Dramaturgie: Katja Stoppa
Alexander Kerner: Jan Wenglarz
Ariane Kerner: Pauline Gloger
Christiane Kerner: Evelyn Fuchs
Robert Kerner / Birgit Breuel / Sandmann: Gunnar Blume
Denis / Volkspolizist: Matthis Heinrich
Lara / Lenin: Noemi Clerc
Rainer / Volkspolizist: Paul Maximilian Schulze
Frau Schäfer: Christine Zart/Maria Brendel
Herr Ganske / Volkspolizist: Michael Jeske/Ingolf Müller-Beck
Herr Mehlert: Michael Schrodt
Herr Klapprath / Volkspolizist: Matthias Herold
Pförtner (Video): Sven Wallburg
Junge Pioniere: Kinder- und Jugendchor des Evang. Gymnasiums Meiningen
„Vor dem Theater wurde eine riesige DDR-Fahne gehisst, am Portal feiert man mit einem Banner "75 Jahre DDR". Drinnen im Theater gibt es nicht die übliche Karten-, sondern eine stilechte Grenzkontrolle. Der Einstieg auf der Bühne weiß dann zu überzeugen.“
Wolfgang Schilling, MDR Kultur Radio, 20.01.2024
Das Stück zum Film ist jetzt aber erstmals an einem ostdeutschen Theater zu sehen: In Meiningen erzählt Thomas Dannemann ihn als Nachdenken über den Umgang mit Vergangenheit.
Geschichte sollte erinnert werden. Und zwar die guten und die schlechten Dinge. Lenin verschwindet nach der Wiederauferstehung von der Bühne, aber die Aussage bleibt als starke, implizite Grundthese des Abends bestehen. Thomas Dannemann schafft es in seiner Meininger Inszenierung jedoch durch einen starken, eigenen Zugriff, neue Impulse zu setzen, so dass das Stück losgelöst vom Film für sich steht.
Wie kann man einfordern, Vergangenheit als grundfalsch zu brandmarken, wenn es doch das eigene Leben war? Das sind die Spannungsfelder, die der Abend nicht nur aufmacht, sondern für die er auch Resonanzräume schafft.
Jan Wenglarz verkörpert Alex mit Talent für schnelle, komische Szenen. Unterhaltsam als ungleiches Paar mit viel Temperament sind Pauline Gloger und Yannick Fischer als Alex' Schwester Ariane und deren neuer Freund Rainer.
Als besondere Stärke des Abends bleibt am Ende die Brüchigkeit, die Thomas Dannemann schafft und die sich allem Schwarz-Weiß-Denken verwehrt. Gleichzeitig mahnt die Inszenierung auf unaufdringliche Weise, dass Erinnern, was war und bewusst machen, was ist, unser aller fortwährende Verantwortung ist.
Marlene Drexler, Nachtkritik, 20.01.2024
Wenn sie im Koma liegt, dann kommt der große Sandmann mit den Pionieren, das gibt Szenenapplaus, wie dem ganzen Abend heftig applaudiert wird.
Michael Jeske zum Beispiel, der blödelt nicht, der baut mit wenig Aufwand eine Figur, bei der man sich eine gebrochene DDR-Biografie hinzudenken kann. Ein ehrlicher Kerl, der immer nur sein Ding machen wollte und jetzt ratlos der Verfall seines Landes und seines Lebens beobachten muss.
Wenn sie während und nach der Pause einen heiteren Flohmarkt mit alten DDR-Produkten ans Publikum adressieren und dann die irritierte Mutter in die Szene läuft, dann verbindet sich eine wirkliche Heiterkeit organisch mit der Geschichte.
Wenn zwei Pioniere über „Unsere Heimat“ singen, wer je dabei war hat es nicht vergessen, und die übrigen dazu tanzen, nicht wild, nicht lustig, langsam, wie nachdenkend, dann ist da eine Melancholie, die nach dem Wert, nach der Echtheit der Erinnerung zu fragen scheint. Dann ist da ein Hauch der Gestimmtheit zu spüren, die die Seele des Filmes war.
Hier, am Ende, hat der Abend, wie am Beginn, eine Höhe und ein Fragen.
Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine, 22.01.2024