Musikdrama in einem Aufzug von Richard Strauss
nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung
Deutsch von Hedwig Lachmann und vom Komponisten
„Schreckliches wird geschehen“, verspricht ein Page – und er soll Recht behalten. Bereits Oscar Wildes Vorlage führt anhand der biblischen Episode um die judäische Prinzessin Salome ein dekadentes Sittengemälde des Fin-de-Siècle vor, in dem eine morbide Gesellschaft übersättigt zerfällt: Inmitten eines Umfelds, das keinerlei moralische Grenzen mehr kennt, ist die exzentrische Salome von der Askese des von Stiefvater Herodes gefangenen Propheten Jochanaan fasziniert. Um seinen Widerstand zu brechen, treibt sie ihre erotischen Verführungskünste bis zur Ekstase – doch der Unberührbare verweigert sich. Zum Äußersten getrieben, fordert Salome als Preis für einen orgiastischen Tanz den Kopf des Jochanaan von Herodes. Voller Entsetzen befiehlt dieser das grausame Opfer. Entseelt küsst Salome den Mund des Gerichteten.
Mit schillernd-irisierenden Farben, einem motivischen Geflecht, das seine Fäden von reiner Unschuld bis zu lasziver Perversion spinnt, sprengt Richard Strauss tonale Konventionen und provozierte mit der Dresdner Uraufführung 1905 einen handfesten Skandal. Gleichzeitig verschaffte „Salome“ dem Komponisten schlagartig den internationalen Durchbruch.
Besonderheit Bühnenplätze: Direkt auf der Bühne stehen 20 Plätze für Zuschauer:innen rechts und links neben dem Boxring zur Verfügung, die für nur 10 Euro an der Theaterkasse (Tel. 03693-451 222 oder persönlich) erworben werden können. Mitmachen müssen Sie nicht, aber seien Sie darauf gefasst, große Stimmen und Emotionen aus allernächster Nähe zu erleben.
Musikalische Leitung: Chin-Chao Lin
Regie: Verena Stoiber
Bühne: Susanne Gschwender
Kostüme: Clara Hertel
Video: Jonas Dahl
Dramaturgie: Claudia Forner
Herodes: Johannes Preißinger
Herodias: Tamta Tarielashvili
Salome: Lena Kutzner
Jochanaan: Shin Taniguchi
Narraboth: Alex Kim
Page der Herodias: Marianne Schechtel
1. Jude: Andreas Kalmbach
2. Jude: Tobias Glagau
3. Jude: Johannes Mooser
4. Jude: Mykhailo Kushlyk
5. Jude / 2. Soldat: Mikko Järviluoto
1. Nazarener / Kappadozier: Selcuk Hakan Tiraşoğlu
2. Nazarener / 1. Soldat: Tomasz Wija
Sklave: Kati Rücker
Live-Video/Videoassistenz: Philipp Weber
Verena Stoiber (…) macht aus ihrer Meininger Neuinszenierung weder ein schauriges Historienspektakel in biblischen Zeiten, noch eine der allfälligen Therapiesitzungen, die im Missbrauch Salomes durch den Stiefvater Herodes „entlastende“ Ursachen für die Hemmungslosigkeit und Perversion dieser Obsession suchen.
Wenn Jochanaan auftaucht wird ein Boxring an der Rampe aufgebaut, in dem es dann zur Sache geht. Als Jochanaan tritt Shin Taniguchi als kraftvoll kultiviert singender Wut-Champion mit fundamentalistischer Frauenfeindlichkeit gegen alle an.
Tamta Tarielashvili ist eine großartige, durchweg singende und intensiv spielende Herodias. Zusammen mit dem sehr agilen Johannes Preißinger als Herodes wertet sie das Königspaar enorm auf!
… eine Salome der Spitzenklasse, die eine durchweg imponierende Ensembleleistung krönt!
Joachim Lange, Neue Musikzeitung, 18. Juni 2023
Salome ist aktueller denn je und in dieser Inszenierung eine äußerst gelungene Mischung aus Oper und Zeitgeistszenario, ohne allzu dick aufzutragen. Der Rahmen passt, das gesamte Ensemble ist großartig und die musikalische Leitung samt Orchester – wie einfach immer in Meiningen – zum Niederknieen.
Herrlich übertrieben und so echt beherrscht Dara Hobbs die Mimik des Teenagers, ob genervt, angeekelt oder fasziniert. Raffiniert spielt die Prinzessin mit denen, die etwas von ihr wollen, mal scheinbar kindlich naiv, mal stur und berechnend.
Inge Kutsche, Der Opernfreund, 19. Juni 2023
Die Hofkapelle ist diesmal auf der Bühne hinter der Szene platziert. Für die Transparenz der Musik und manche Freiheit, die sonst untergeht, ist das ein Gewinn. Für die Stimmen sowieso. Harish Shankar hat das eine wie das andere bestens im Griff.
Das Protagonistenensemble ist durchweg in Hochform, der Streit der Juden etwa ein Musterbeispiel von durchdachtem Aufeinanderlosgehen.
Shin Taniguchi ist ein furchterregender Boxchampion, der aber nicht nur drauflos drischt und flucht. Sondern der – wie eine Projektion der Ängste des Herodes vor dem in der Luft liegendem Unheil – zeitweise oben an der Tafel den Platz des Königs einnimmt und all das Geheimnisvolle, was Herodes zu hören und zu spüren meint, mit ausgebreiteten Armen hervorruft. Stimmlich liefert er einen tadellosen, stets kultiviert losdonnernden Jochanaan.
Die Krönung freilich ist die Salome von Dara Hobbs. Spielerisch das personifizierte Selbstbewusstsein, vokal eine Melange aus müheloser Kraft und geradezu lyrisch jugendlichen Tönen. Sie beglaubigt die Eigenwilligkeit einer Inszenierung, in der sie weder tanzen noch sterben muss.
Roberto Becker, Meininger Tageblatt, 19. Juni 2023