Szenische Erstaufführung der Urfassung auf Deutsch
Oper in drei Akten von Ethel Smyth
Libretto von Henry Bennet Brewster, übersetzt von John Bernhoff
In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln
Die Britin Ethel Smyth (1858–1944) war eine Revolutionärin ihrer Zeit. Sie verschaffte sich nicht nur als Komponistin Gehör, sondern setzte sich auch für Frauenrechte ein und landete deshalb sogar im Gefängnis. Einst für viele ein Star, ist sie heute nur in Fachkreisen bekannt – völlig zu Unrecht. Besonders ihre 1906 in Leipzig uraufgeführte Oper „The Wreckers“ lässt eine post-wagnerische Romantik erkennen, die ihresgleichen sucht. Smyth greift in diesem Werk ebenso die Klangästhetik eines 40 Jahre später geschaffenen „Peter Grimes“ vorweg.
Es ist ein Drama über eine am Existenzminimum lebende Gesellschaft, die an der Küste Cornwalls Schiffe zum Kentern bringt, plündert und Menschen mordet. Durch ihren Glauben und ihr geistliches Oberhaupt bestärkt, fühlen sie sich zu diesen Taten berechtigt. Mitten unter ihnen machen sich jedoch Zweifel breit: Thurza, die Frau des religiösen Führers der Gemeinde, und ihr heimlicher Geliebter, Marc, entzünden ein Feuer, um die Schiffe zu warnen.
In Meiningen wird Smyths Oper erstmals szenisch in der Urfassung und auf Deutsch zu erleben sein. Regisseur Jochen Biganzoli, hier bereits durch seine „Tote Stadt“ (2022) bekannt, legt den Fokus auf die Beeinflussbarkeit Notleidender, die ihrer prekären Lebenssituation zu entkommen versuchen.
Musikalische Leitung: GMD Killian Farrell
Nachdirigat: Christopher Važan
Regie: Jochen Biganzoli
Bühne, Kostüme: Alexandre Corazzola
Chor: Roman David Rothenaicher
Dramaturgie: Julia Terwald
Pasko, geistlicher Führer der Gemeinde: Tomasz Wija
Thurza, seine Frau: Karis Tucker
Marc, ihr heimlicher Geliebter: Alexander Geller
Laurent, Leuchtturmwärter: Mark Hightower
Avis, seine Tochter: Emma McNairy
Harvey, sein Schwager: Selcuk Hakan Tiraşoğlu
Tallan, ein Wirt: Tobias Glagau
Sophie, seine Tochter: Sara-Maria Saalmann
Chor des Staatstheaters Meiningen
Statisterie des Staatstheaters Meiningen
Das Tolle ist, dass Smyth daraus einen ganz eigenen Klang macht, der ganz im Dienst einer ungeheuren Dramatik und Wucht steht. Das bläst einen an. Da entstehen Klänge, die einen in den Sessel drücken und die Leidenschaften der Figuren vollkommen zwingend erscheinen lassen. […] Darin badet man einfach drei Stunden lang, das ist wunderbar.
Dann hat Killian Farrell all die wunderbaren Details aus den Klangmassen herausgekitzelt, die die Komposition so kostbar machen.
Von [den Solisten] hat Karis Tucker am eindrücklichsten gestrahlt: Die hat so einen lodernden Mezzo, der alles niedergleist.
Und der Chor singt und agiert fulminant.
Deutschlandradio Kultur FAZIT, Georg Kasch, 25.10.2024
Karis Tucker, die die Partie der Thirza bereits in Glyndebourne und Berlin sang, setz[te] sich mühelos über das Orchester hinweg und balancier[te] zwischen wütendem Eifer und der Wärme einer jungen Liebenden.
Emma McNairy [zeichnet sich] durch eine starke mittlere und tiefe Lage aus, mit der sie sich in den Ensembles ebenso behaupten kann wie mit den Spitzentönen in ihren solistischen Momenten.
Instrumental begeisterte [...] die Meininger Hofkapelle [...]. Bei [Killian Farrell] wurden die Klangfluten zu einem luzide tönenden Seestück, von dem man sich wünscht, dass es sich in Zukunft endlich auf den Spielplänen hält.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Robin Passon, 02.11.2024
Musikalisch […], auch was die Sängerbesetzung anbelangt, lautet die Empfehlung: auf nach Meiningen. Hofkapelle und Chor haben hier unter der Leitung des Generalmusikdirektors Killian Farrell enorm an Format gewonnen. Er ist erst dreißig, aber schon ein gestandener Kapellmeister, der absolute Präsenz herstellt, von der ersten scharf geschneiderten Unisono-Fanfare an.
Ein großer Mezzosopran ist da gefordert (Karis Tucker), ein echter Heldentenor (Alexander Geller).
Neue Züricher Zeitung, Eleonore Büning, 15.11.2024
GMD Killian Farrell und Regisseur Jochen Biganzoli begeistern in Meiningen mit Ethel Smyths vergessener Oper „The Wreckers“.
Biganzoli punktet mit einer präzisen Personenregie, baut aber auch auf die Vorstellungskraft der Zuschauer. Den Protagonisten eröffnet das den Raum für faszinierend intensive Rollenporträts.
Herausragend Karis Tucker, die als Thurza schon vor zwei Jahren in Glyndebourne geglänzt hat und die Rolle auch in Schwerin übernehmen wird. Selten verbinden sich Wohlklang und Leuchtkraft so selbstverständlich wie bei ihr.
Natürlich ist Emma McNairy als Avis die intrigante Rivalin um die Gunst von Marc schlechthin.
Alexander Geller gibt den heimlichen Geliebten Thurzas Marc mit strahlender Noblesse.
Roman David Rothenaicher hat den Meininger Chor auf seine Hauptrolle in diesem Stück bestens vorbereitet.
Concerti, Roberto Becker, 27.10.2024
Alles überstrahlende Stimme ist die Thurza von Karis Tucker, die die warme Fülle ihres Mezzosoprans auch in der Höhe lodern lässt.
Ihrer Rolle steht in der vor erotischem Begehren blutrünstigen, dennoch unser Mitgefühl weckenden Avis von Emma McNairy ein Sopran wie flüssigheißes Metall entgegen, der konsequent in einem Verzweiflungsschrei endet, nachdem ihr Rettungsversuch für den Geliebten in einen Todesfluch umgekippt ist und sie selbst von ihrem Vater, dem ehrenwerten Leuchtturmwärter-Gerichtsvorsitzenden, verstoßen wurde.
Diesen doppelt geliebten Marc, der gemeinsam mit Thurza sterben wird, singt Alexander Geller mit markantem, ins Baritonale ausschlagenden Tenor unprätentiös expressiv.
Mark Hightower verbreitet […] als Leuchtturmwärter Laurent eindrucksvoll ruhig den Schrecken des „Unbestechlichen“, der im dritten Akt in liturgischem Rezitativ der Verkündung des Todesurteils entgegensegelt.
Die eigentliche Hauptfigur aber, neben dem Meer, ist das Volk in seiner Masse, seiner ziellosen Wut. Der von Roman David Rothenaicher einstudierte Meininger Chor singt mit einer beängstigenden Kraft, die einen als Hörer phasenweise an die Wand des schönen Saals schmettert.
Auch wenn die Hofkapelle in dem 726-Plätze-Haus und ihrem historisch-lokaltypischen Sound gemäß eher klein besetzt ist, macht die hohe Qualität des Ensembles unter dem irischen (!) Generalmusikdirektor Killian Farrell berauschend deutlich: Für Ethel Smyth war ein Orchester nicht zum Kargen da, sondern zum Glühen und Blühen.
VAN Magazin, Albrecht Selge, 27.10.2024
Orchester, Chor und Solistinnen samt Solisten beweisen Höchstform. „The Wreckers“ ist eine Choroper, der Part von archaischer Wucht. Roman David Rothenaicher befeuert seine Sängerinnen und Sänger zu enormer Durchschlagskraft bei fortwährender Präzision.
Stupend verkörpert voll satten Mezzosoprans Karis Tucker das emanzipative Pochen Thurzas auf Menschlichkeit und selbstbestimmte Liebe. Hochdramatisch bis zum Anschlag, dabei dennoch leuchtend und mit berückend schöner Tongebung spannt Tucker ebenso weite wie energiegeladene vokale Bögen.
Einem Elektrizitätswerk gleicht Emma McNairy, wenn sie den menschlich intakten Marc stalkt und sich ihrer Konkurrentin Thurza zu entledigen trachtet. Wahrlich nimmt man McNairys vokalen Fanfaren den Schlachtruf ab, mit dem sie final das Liebespaar ins Verdikt der Dorfgemeinschaft und so ins Verderben stößt.
Dem Fischer Marc weist Smyth ein Stimmfach zwischen Helden- und lyrischem Tenor zu. Liedhafte Innigkeit ist dazu ebenso vonnöten wie Tristanattitüde. Famos meistert Alexander Geller die widersprüchlichen Anforderungen seiner Partie.
Die Deutsche Bühne, Michael Kaminski, 26.10.2024
Und für den jungen Meininger GMD unter Genieverdacht, Killian Farrell, und seine fabelhaft ihre spätromantische Kernkompetenz ausspielende Hofkapelle ist das ein gefundenes Fressen beziehungsweise der Glücksfall eines nun doch wieder am Ufer des Repertoires gestrandeten Opernschatzes.
Allein das üppig wuchernde Liebesduett im zweiten Aufzug zwischen Marc und Thurza muss den Vergleich mit Tristan und Isolde oder Dido und Aeneas in den „Trojanern“ von Berlioz nicht scheuen. Hier laufen Alexander Geller und vor allem Karis Tucker zu einer vokalen Hochform auf, die einen auf die Stuhlkante treibt.
Erstklassig auch Emma McNairy als intrigierende und auf Thurza eifersüchtige Avis, Tomasz Wija als Thurzas betrogener Ehemann und religiöser Anführer Pasko und durchweg alle anderen, samt fabelhaftem Chor!
Thüringer Allgemeine, Joachim Lange, 28.10.2024
Dass aus einem Rohdiamanten ein Juwel wurde, verdankt diese Oper in erster Linie GMD Killian Farrell, der diese Komposition ausbalancierte, Szenen zusammenfügte und teilweise retuschierte.
Fraglos ein Coup ist Alexandre Corazzolas Idee, die Handlung vor, in und unter einem riesigen weißen Kubus stattfinden zu lassen. Er definiert ihn als „Bubble“, als Blase, in der die Dorfgemeinschaft abgekapselt von der Außenwelt lebt.
Karis Tucker lenkt nahezu atemberaubend die Aufmerksamkeit auf diese Person […].
Emma McNairy verpasst dieser jungen Frau [Avis] ein unglaubliches Temperament und lässt sie als Furie und Aufwieglerin agieren.
Schon die ersten Szenen zeigen, welche bedeutende Rolle der Chor übernimmt. David Rothenaicher schafft hier nicht nur ein vokales Glanzstück, sondern lässt dieses Volk in seinem Wesen lebendig, gewaltig und im Negativen erschreckend lebensecht agieren.
Der Opernfreund, Inge Kutsche, 28.10.2024
Einen großen Anteil an dieser Wirkung haben der Chor und die Statisterie des Staatstheaters Meiningen. Mit voller Kraft, sowohl im körperlichen Ausdruck als auch in den Stimmen, werfen sich die Sänger voll in das Geschehen und sind vor allem immer absolut präsent in ihrer Darstellung. Dabei singen sie sauber, sehr obertonreich, klar und gut verständlich, immer homogen und gut durchhörbar. Chorleiter Roman David Rothenaicher scheint sie für die Produktion nochmals speziell für den Ausdruck im großen Forte vorbereitet zu haben – sehr überzeugend und sehr wirkungsvoll.
Tamta Tarielashvili passt mit ihrem hochdramatischen, dunklen Mezzosopran sehr gut zu der Rolle der Thurza, die sich als heftig Liebende mit großer Emotionalität der Dorfgemeinschaft und dem unseligen Treiben entgegensetzt. Auch leise lyrische Töne stehen ihr zu Gebot, in der Höhe lodert die Stimme farbenreich.
Marc, ihr heimlicher Geliebter, wird von Alexander Geller verkörpert. Er kann hier beweisen, dass er sowohl die lyrischen als auch die heldischen Passagen der Partie in der Stimme hat. Mit kernigem Ton und heller Höhe meistert er auch schwierige Stellen und ist dabei immer sehr gut verständlich.
Bleibt das Orchester unter seinem Dirigenten Farrell. Schon in der Einführung fürs Publikum beweist Farrell, dass er ein großer Fan der Musik Smyths ist. Sein Dirigat verleitet denn auch die Meininger Hofkapelle zu Höchstleistungen. Süffig und satt, dicht und drängend evozieren die Musiker nicht nur die Küste Cornwalls, sondern auch die tiefen Emotionen. Entfesselte Sturmböen, Blitze und Donner und das brausende Meer halten Einzug ins Opernhaus und überwältigen schier die Zuhörer.
O-Ton, Jutta Schwegler,18.11.2024
Die Meininger Fassung jedenfalls ist mit der Wucht ihrer musikalischen und vokalen Qualität ein höchst überzeugendes Plädoyer für die Strandräuber.
Tomasz Wija hat in der Rolle des Pasko als geistlicher Führer (und betrogener Ehemann) die Chance, dem Fanatiker auch menschliche Züge zu verleihen und nutzt sie.
Freies Wort, Roberto Becker, 28.10.2024
Der noch ziemlich neue Generalmusikdirektor Killian Farrell dirigierte die Meininger Hofkapelle am Premierenabend so furios wie beherrscht.
Unter den Solisten ist zunächst die durchwegs erstklassige Besetzung der Männerrollen zu erwähnen, allen voran natürlich die Protagonisten Tomasz Wija als geistlicher Führer der Gemeinde und Alexander Geller als Marc, der mit dessen Frau zu den Abtrünnigen gehört. Selbst die kleineren Rollen sind mit Mark Hightower (Leuchturmwärter Laurent), Selcuk Hakan Tirasoglu (als dessen Schwager) und Tobias Glagau (ein Wirt) trefflich besetzt.
Emma McNairy liefert mit ihrem kraftvollen Sopran eine schneidige Avis ab, was zu ihrer Rolle als Böse im Spiel bestens passt.
Karis Tucker als Thurza besticht stimmlich nicht nur in der Höhe, sondern steuert auch runde tiefere Register bei.
Ganz wichtig ist bei dieser Oper ein verlässlicher Chor, zumal das Werk in mancher Hinsicht an Wagners „Holländer“ erinnert, der ja eine Choroper ist.
Art5III, Martin Köhl, 28.10.2024